20.05.2021: Eine Auftragsarbeit nach St. Moritz mit einem bekannten Motiv. 2019 habe ich diese Fotovorlage bereits einmal im Format 60/60 cm umgesetzt und in meiner Ausstellung letztes Jahr verkauft.
Die Auftraggeberin hat sich explizit dieses Motiv gewünscht, lässt mir aber nebst dem viel Spielraum und macht mir keinerlei Vorgaben. Wir haben uns einzig über die Grösse des Bildes abgesprochen und sie hat nebenbei erwähnt, dass sie warme Farben liebe und dass sie das Bild in ihrem Schlafzimmer aufhängen möchte. Mit diesen grosszügigen Rahmenbedingungen habe ich richtig Lust darauf, diese Fotovorlage nochmals zu einem neuen Bild zu verarbeiten.
Das Format wähle ich diesmal nicht quadratisch, sondern in einem leichten Hochformat von 50/60 cm und anstelle von glatter, vorgrundierter Leinwand wie beim letzten Bild, bespanne ich den Keilrahmen diesmal mit rohem Jutegewebe, das ich mit schwarzem Gesso grundiere. Inzwischen habe ich mir auch Gedanken über das Farbkonzept gemacht und auch dieses soll sich deutlich von der ersten Version des Bildes unterscheiden:
Schon länger verfolge ich die Arbeit der US-amerikanischen Künstlerin Erin Hanson. Sie schafft impressionistische Landschaftsbilder in unglaublich dramatischen, bunten und dennoch sehr differnzierten Farben. Aus meiner Sicht versteht sie es meisterhaft, Stimmungen in der Natur wahrzunehmen, diese Stimmung farblich zu verstärken und auf der Leinwand festzuhalten. Fast in jedem Bild spielt sie auch sehr gekonnt mit dem Gegensatz von warmen und kalten Farben. Schon länger wollte ich mich mit dem Farbkonzept für eines meiner Bilder einmal an einer Vorlage von Erin Hanson orientieren und mit diesem zweiten Porträt von Elena möchte ich die Gelegenheit nutzen. Mit meinen bisherigen Farbkonzepten habe ich mich meist auf einen einzigen Kontrast, z.B. Gelb-Blau oder Rot-Grün festgelegt aber dieses Bild darf nun für einmal etwas bunter werden. Da meine Auftraggeberin offensichtlich warme Farben mag, wähle ich als farbliche Inspirationsquelle ein Bild von Erin Hanson in warmen Tönen, achte jedoch darauf, dass ich auch in meinem Bild den Gegensatz von warmen und kalten Tönen spielen lassen kann. Man mag einwenden, dass diese Vorlage mit den vielen Blautönen alles andere als warm ist. Ich habe jedoch auch die Technik von Erin Hanson anhand von Videos studiert und es ist auch auf dem Werk selbst noch klar erkennbar, dass das Bild auf einem warmen, roten Untergrund aufgebaut ist. Und als Einstieg in mein neues Bild werde ich morgen deshalb auch mit einem warmen roten Hintergrund beginnen...
21.05.2021: Zwei Schichten in einem warmen Rostrot mit dem Farbroller aufgetragen und je drei Stunden trocknen lassen. Danach hat die Zeit nur noch gereicht für einige schmissige Pinselstriche mit breitem Pinsel in einem helleren Violett. Ich versuche damit schon im Hintergrund die Figur etwas abzusetzen vom Rest des Bildes. Damit war denn dieser Tag auch schon um...
04.06.2021: Endlich wieder einmal Zeit zum Malen heute und das Wetter spielt auch mit! Heute muss ich nun Farbe bekennen für die Figur und den Hintergrund: Das Gesicht in einem blassen, warmen Orange, die schattigen Partien der Haare in einem dunklen Blauviolett, das Revers des Mantels in Olivgrün und den Hintergrund in Hellblau.
05.06.2021: Nach wie vor versuche ich mich farblich an der Vorlage von Erin Hanson zu orientieren und ich finde, im Vergleich zur Vorlage fehlt es meinem Bild noch an warmen Rottönen. Spontan entscheide ich mich, mittels grosszügig gesetzter, leuchtend oranger Konturlinien und Akzente zu versuchen, die warmen Farbtöne zu verstärken und damit auch den Kontrast zum kühlen Hellblau des Hintergrund zu verstärken. Gut, dass es nicht das erste Mal ist, dass ich einen solch gewagten Eingriff vornehme, sonst hätte mich das Ergebnis wahrscheinlich erschreckt. Inzwischen weiss ich, dass sich ein 'too much' im nächsten Schritt ohne Weiteres wieder korrigieren lässt. Als nächstes helle ich die lichten Stellen des Gesichts auf, bringe noch dunkles Blau ins Bild und versuche, den mosaikartigen Hintergrund noch etwas zu beruhigen, ohne dabei die breiten Pinselstriche der früheren Schicht völlig zu überdecken...
06.06.2021: Heute versuche ich, diesen Auftrag abzuschliessen. Für die hellsten Stellen im Gesicht bringe ich zum Schluss noch warme Goldtöne ins Bild. Nachher arbeite ich vor allem noch an zahlreichen Korrekturen an den Augen, den Lippen, an der Nase, den Haaren und bringe noch ein winziges Glanzlicht im rechten Auge an - das hat noch gefehlt. Zum Schluss überarbeite ich nochmals das Revers des Mantels in einem etwas helleren Oliveton. Fertig.
Bisher habe ich erst wenige Anfragen für Auftragsarbeiten erhalten. Anfänglich war ich skeptisch, ob ich überhaupt Aufträge annehmen soll. Inzwischen bin ich da offener aber ich bin noch dabei herauszufinden, unter welchen Voraussetzungen ich einen Auftrag annehme. Bereits beim Motiv weiss ich, dass ich mir vorbehalten würde, einen Auftrag abzulehnen. Das Motiv muss mich überzeugen, sonst weiss ich, dass daraus nichts werden kann. Aus Erfahrung weiss ich inzwischen auch, dass mich zu viele Vorgaben hinsichtlich Farbgebung und Gestalt des Auftragswerks zu sehr einschränken. Auch in diesem Fall würde ich zukünftig einen Auftrag ablehnen. Bei diesem Auftrag liess mir die Auftraggeberin völlige Freiheit und gab mir nur ein paar vage Angaben bezüglich ihrer Vorlieben. Die Umsetzung fiel mir deshalb leicht. Schliesslich ging es aber noch darum, die Frage des Rahmens zu klären. Ich habe mich mit der Auftraggeberin diesbezüglich nicht klar abgesprochen und liess es offen, ob sie das Bild mit oder ohne Rahmen kaufen möchte. Grundsätzlich finde ich, dass es Bilder gibt, die keinen Rahmen brauchen und auch ohne Rahmen voll zur Geltung kommen. Bei diesem Bild finde ich jedoch, dass ein passender Rahmen das Porträt erst richtig in Szene setzt und das Bild als solches erst richtig vollenden. Ich hatte klare Vorstellungen, was für ein Rahmen für dieses Bild in Frage kommen würde: entweder ein feiner Schattenfuge-Rahmen in in einem warmen, ganz dunklen Braunton mit Oberkante in Echtgold (Bild 3), der die Goldtöne im Gesicht aufnimmt oder ein schmaler Schattenfuge-Rahmen in Lindenholz natur (Bild 2).
Die Auftraggeberin hat sich schliesslich entschieden, das Bild ohne Rahmen zu kaufen. Zukünftig würde ich dies bei einer Auftragsanfrage im Voraus absprechen und das Bild nur mit Rahmen verkaufen wollen, wenn ich der Meinung bin, dass das Bild einen Rahmen braucht.
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