01.05.2020: Vor einigen Wochen bin ich auf die grandiosen und tiefgründigen Werke des Kalifornischen Künstlers Julio Reyes gestossen und seine Bilder haben mich nachhaltig in Bann gezogen. Die Bilder sind von einer dermassen tiefgründigen Ästhetik und für mich fast überirdischen Schönheit, dass ich mich stundenlang darin verlieren könnte. Er malt oft mit Eitempera und mit sehr filigranem Strich und feinem Pinsel schafft er Bilder enormer Dichte und Intimität und mit umwerfend schönen und differenzierten Farben. Besonders bewundere ich eine Serie von Bildern rothaariger Menschen mit Sommersprossen. Menschen mit roten Haaren, heller Haut und Sommersprossen haben auch auf mich schon immer einen besonderen Reiz ausgeübt. Sie haben für mich oft etwas Anmutiges aber auch Zerbrechliches, wie ein kostbares Chinesisches Porzellan. Diese starken Eindrücke haben mir den Impuls für dieses Bild gegeben.
Ich werde nicht versuchen, Julio Reyes‘ Technik zu kopieren - das schaffe ich ohnehin nicht aber einiges möchte ich mit meiner eigenen Technik dennoch umzusetzen versuchen: Erst einmal möchte ich auch ein Portrait eines rothaarigen Menschen mit heller Haut und Sommersprossen malen. Mit meinem Bild 'Sister my Sister' habe ich das schon mal versucht und habe bemerkt, dass es gar nicht so einfach ist, Sommersprossen so zu malen, dass sie echt und nicht aufgesetzt aussehen. Weiter möchte ich mit meinen eigenen Mitteln versuchen, mehr Dichte und ebenfalls etwas Filigranes in mein Bild zu bringen. Dazu werde ich auf die Technik zurückgreifen, die ich in meinem Bild 'Vertical Horizons' und einigen abstrakten Bildern vor Jahren angewendet und seither kaum mehr benutzt habe: lasierende Farben mit feinem Pinselstrich und in überlagerten Schichten aufgetragen. Schliesslich versuche ich, etwas von der umwerfend schönen Farbigkeit von Reyes' Bildern auch in meinem Bild umzusetzen. Und für einmal werde ich meinem langfristigen Ziel nach mehr Abstraktion untreu werden und in diesem Bild mehr ins Detail gehen.
Ich habe mich jetzt mehr als zwei Wochen lang gedanklich und mittels Internetrecherche intensiv auf dieses Projekt vorbereitet und schliesslich ging es noch darum, ein geeignetes Motiv zu finden. In meiner grossen Bildersammlung, die ich seit Jahren stetig erweitere, fand ich nichts Geeignetes. Schliesslich habe ich nach langer Recherche im Internet zehn Bilder in die engere Wahl genommen und zum Schluss das Portrait eines Knaben ausgewählt, welches sich für mein Vorhaben am besten zu eignen scheint. Ich werde mich für einmal jedoch nicht allzu genau an die Vorlage halten. Es geht mir mehr darum, die Atmosphäre in mein Bild zu übernehmen. Die Vorlage ist eine sehr ausdrucksstarke Portraitaufnahme (leider habe ich den Fotografen nicht herausfinden können) mit ernstem Gesichtsausdruck und einem eigenwilligen und direkten Blick aus wachen Augen. Umgesetzt mit roten Haaren, heller Haut und Sommersprossen dürfte daraus bereits im Motiv ein erster Kontrast entstehen - und ich suche ja immer nach Kontrasten in meinen Bildern. Farblich möchte ich mich vorerst auf die Farben Preußischblau, Orange und gebrannte Umbra festlegen und mit diesen Farben vor allem den Kontrast kalt-warm spielen lassen. Format 80/80 cm, Untergrund rohes Leinen.
08.05.2020: Nachdem ich letztes Wochenende die Leinwand in einem dunklen warmen Grauton grundiert habe, kann es heute richtig losgehen. Die erste Schicht trage ich mit dem Roller auf: unterschiedliche Grautöne für den Hintergrund, helles Ocker für die Haut und dunkle Braun- und Blautöne für die Haare und das Hemd der Figur. Am Nachmittag wechsle ich zum Pinsel und beginne bereits an den Details im Gesicht, alles noch in gedämpften Farbtönen. Mehr schaffe ich heute nicht...
09.05.2020: Heute komme ich gut voran und bin sehr gespannt, ob ich mein Vorhaben so umsetzen kann, wie ich mir das vorgestellt habe. Erst muss ich noch einige Korrekturen an Konturen und Formen vornehmen, die einfach nicht stimmen und dann starte ich meinen Versuch, mit der Technik, die ich bisher nur bei einigen früheren abstrakten Bildern aber noch nie bei einem Portrait eingesetzt habe. Ich beginne mit dem breiten Pinsel, lasierender Farbe und feinem Pinselstrich in unregelmässigen Richtungen den Hintergrund zu beruhigen, ohne dabei die unterliegenden Schichten völlig zu überdecken. Nachher bearbeite ich mit etwas schmalerem Pinsel aber in derselben Technik auch die Figur. Dabei beginne ich langsam wärmere Farbtöne ins Bild zu bringen. Bisher dominieren vor allem die kalten Farbtöne.
15.05.2020: Heute bin ich voll fokussiert. Ich habe mich die ganze Woche darauf gefreut, am Bild weiterarbeiten zu können. Heute geht es vor allem darum, die rechte Gesichtshälfte mit warmen Farbtönen aufzuhellen und damit den Kontrast kalt/warm ins Bild zu bringen. Dazu erweitere ich mein Farbspektrum noch um die Farben Gelb und Rot und nutze damit nun meine ganze Farbpalette. Die momentan noch dunkelbraunen Haare färbe ich rot ein. Immer wieder arbeite ich zwischendurch auch an den Augen. Diese sind gestern noch sehr ungenau und leblos gewesen. Schliesslich wage ich mich an die Sommersprossen. Diesmal verwende ich lasierende Farben in unterschiedlichen Brauntönen und auch wenn es noch nicht so echt aussieht, wie bei Julio Reyes, ist es allemal einiges besser als bei meinem letzten Bild. Ganz zum Schluss erst setze ich die Glanzlichter in den Augen in ganz hellem Blaugrau und nur den hellen Lichtfleck im linken Auge in reinem Titanweiss. Ich habe bewusst darauf geachtet, dass alle anderen Farbtöne des Bildes dunkler sind, damit dieses Glanzlicht die hellste Stelle im Bild wird und damit den Blick des Betrachters auf sich zieht.
Und übrigens: Den Namen Aedan für dieses Bild habe ich nicht zufällig ausgewählt. Gemäss Informationen aus dem Internet ist Aedan die anglisierte Form des altirischen Namens Adohan, auch Aidan und bedeutet Feuer, der Feurige. Ich finde ein irischer Name passt zu dieser Figur und die Bedeutung passt zum kraftvollen Blick der Augen und zu den roten Haaren.
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